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Salzburger Festspiele

Salzburger Festspiele Sommer 2026
17. Juli bis 30. August 2026


OPER

Kontakt

Salzburger Festspiele
Herbert von Karajan Platz 11
A-5010 Salzburg

Telefon: +43 (0)662-8045-500
Fax: +43 (0)662-8045-555
E-Mail: info@salzburgfestival.at

Bewertungschronik

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Bewertungen & Berichte Salzburger Festspiele

Franck Ollu, © Jean-Jaques Ollu
Oper

Passion

Pascal Dusapin (1955)

Oper (entstanden 2006—2007, uraufgeführt 2008)
Libretto von Pascal Dusapin und Rita de Letteriis

„Sprich zu mir! Ich schaue dich an, o meine Sonne, und ich erkenne dich nicht.“

Schlicht Sie und Er – „Lei“ und „Lui“ – nannte Pascal Dusapin die beiden solistischen Rollen seiner Oper Passion, doch schimmern in ihnen die Figuren von Orpheus und Eurydike wie eine ferne Erinnerung durch. Fragen, die den Komponisten bei der Konzeption seines sechsten Musiktheaterwerkes beschäftigten – etwa, ob sich Orpheus bei der Rückkehr aus der Unterwelt bewusst nach Eurydike umblickt, weil ihm klar wird, wie sehr ihr Verschwinden und sein Schmerz über den Verlust ihn als Künstler beflügeln –, schlugen sich in bezeichnenden Änderungen am Mythos nieder: Bei Dusapin wird die Frau im Gegensatz zu Eurydike nicht ge­opfert, denn sie weigert sich, dem Mann zu folgen; und auch er wird nicht in die Welt der Lebenden zurückkehren.

Die 2008 uraufgeführte Oper entwickelt sich als Dialog eines Paares zwischen Wiederannäherung und Entfremdung. Dusapin überschrieb die zehn ineinander übergehenden Abschnitte – wie auch das Werk als Ganzes – jeweils mit „Passion“. Schon lange hatte er sich mit dem Gedanken an ein Projekt getragen, dessen zentrales Thema der musikalische Ausdruck von „Passionen“, von „Leidenschaften der Seele“ sein sollte. Als er 2005 vom Festival d’Aix-en-Provence den Auftrag für ein Bühnenwerk erhielt, das sich mit den drei erhaltenen Opern von Claudio Monteverdi auseinandersetzen sollte, kam ihm sofort in den Sinn, welch immense Bedeutung der Aus­druck von Affekten und Gefühlen für diesen Pionier der Oper gehabt hatte. Er beschloss daher, den Auftrag mit seinem Passionen-Projekt zu verbinden.

Und so befinden sich Lei und Lui in einem ununterbrochenen Fluss wechselnder Seelenzustände: „Die Leidenschaften“, so Dusapin, „überlagern sich, prallen aufeinander und teilen sich in eine Vielzahl von Wegen, die gezeichnet sind von Angst, Freude, Schmerz, Schrecken, Begehren, Entzücken, Kummer, Liebe und Wut.“ Dusapin nimmt in seiner Partitur subtil auf Monteverdi und den Barock Bezug und erschafft doch eine ganz eigene Klangwelt: Musik von ruhiger, spannungsvoller Intensität, hypnotischer Kraft und herber Schönheit.

Christian Arseni

Besetzung:
Sarah Aristidou, Lei
Georg Nigl, Lui
Schola Heidelberg, Gli altri

Ensemble Modern
Franck Ollu, Musikalische Leitung

Ekkehard Windrich, Einstudierung Vokalensemble
Thierry Coduys, Klangregie

In italienischer Sprache mit deutschen und englischen Übertiteln

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Utopia Orchestra, © Markus Aubrecht
Oper

Carmen

Georges Bizet (1838 - 1875)

Opéra-comique in vier Akten
(entstanden 1873—1875, uraufgeführt 1875)
Libretto von Henri Meilhac und Ludovic Halévy
nach der Novelle Carmen von Prosper Mérimée
Neuinszenierung

„Mein Geheimnis hüte ich, und ich hüte es gut.“

„Wer weiß, welchem Dämon ich beinahe zum Opfer fiel!“ Ein Kuss von seiner Mutter, überbracht von der jungen Micaëla, und die Erinnerung an das heimatliche Dorf haben Don José gerade noch gerettet. Der „Dämon“, auf den er anspielt, ist jene Frau, die ihm kurz zuvor herausfordernd eine Blume zugeworfen hat: nicht einem der vielen Männer, die sie begierig erwartet hatten, sondern ihm, einem unbekannten Offizier, der sie als einziger nicht beachtete. José spürt sofort die Macht, die Carmen auf ihn ausübt. Er wird ihr mit jeder Faser verfallen, zum Deserteur und Kriminellen werden, um ihr nah zu sein. Und als sie sich von ihm abwendet und ein Verhältnis mit dem Stierkämpfer Escamillo eingeht, wird er sie töten.

Carmens Faszination ist eng verflochten mit ihrer Unkontrollierbarkeit. Diese zeigt sich am offensichtlichsten in ihrem Anspruch, ihre Partner nach freiem Willen zu wählen und wieder zu verlassen: Liebe kann genossen, aber weder erzwungen noch festgehalten werden. Für José hingegen verlangt Liebe nach Dauer, ist besitzergreifend und eifersüchtig: Wer sie ihm entzieht oder streitig macht, demütigt sein Ego, provoziert Gewalt. Der bürgerlichen Moral des 19. Jahrhunderts (und darüber hinaus) erschien Carmens offensiv zur Schau getragene sexuelle Unabhängigkeit als anstößig, ja skandalös. Dem Publikum der Pariser Opéra-Comique, wo sie 1875 erstmals die Bühne betrat, war diese Protagonistin nur zumutbar, weil sie als „Zigeunerin“ und soziale Außenseiterin auf radikale Andersartigkeit fixiert wurde. Das machte sie nur noch gefährlicher: Sie erhielt das Potenzial, verführerische und beunruhigende Gegenbilder zu schaffen – zu Lebensmodellen, zu Konventionen und Zwängen.

Als José – im Rang degradiert, weil er sie vor dem Gefängnis bewahrt hat – Carmen im zweiten Akt von Bizets Oper aufsucht, um die versprochene Belohnung zu erhalten, stürzt sie ihn in ein neues Dilemma. Würde er sie wirklich lieben, sagt sie, würde er nicht mehr auf den Ruf der Kaserne hören; nein, er würde ihr folgen und sich mit ihr „dort in den Bergen“ jener „berauschenden Sache“ namens „Freiheit“ hingeben. Carmen öffnet Perspektiven, die vertraute Koordinaten ins Wanken bringen – sei es die Sehnsucht nach Sicherheit und Status, den Vorrang der Zukunft vor dem Jetzt, den Glauben an eine hierarchische Gesellschaft oder das Bedürfnis nach klaren Grenzen und eindeutigen Identitäten.

In der literarischen Vorlage der Oper, Prosper Mérimées Novelle Carmen, ist José selbst der Erzähler seiner Geschichte. Auf der Bühne erhielt Carmen notwendigerweise eine eigene Stimme. Dennoch gibt sie kaum etwas von ihrem Innenleben preis. Während Bizet der Musik Josés die Qualität leidenschaftlichen, zunehmend aggressiven Gefühlsausdrucks verlieh, integrierte er in die Musik Carmens spanische und „Zigeuner“-Idiome ebenso wie Populärmusik. Doch wo spielt Carmen mit Rollen, wo ist sie sie selbst? Sie wechselt rapide zwischen Zugänglichkeit und Verweigerung, ist wie Licht, das sich nicht fassen lässt.

Die Regisseurin und Choreografin Gabriela Carrizo macht sich auf die Suche nach der Identität und den Motiven dieser zum Mythos gewordenen Frau und nimmt in ihrer Inszenierung Carmens Perspektive ebenso in den Fokus wie diejenige Josés. Wie in den Arbeiten für ihre Tanztheater-Kompanie Peeping Tom, die von intensiver Körperlichkeit geprägt, bedeutungsreich und poetisch sind, zoomt sie dabei tief in die Psyche und das Unbewusste der Figuren hinein. Über die Darstellung einer fatalen Zweierbeziehung hinaus geht es Carrizo darum, spürbar zu machen, welchen Anteil das Umfeld an der Dynamik der Geschichte und deren tragischem Ausgang hat. Welche Rolle spielen familiäre Bindungen, vor allem Josés Verhältnis zu seiner Mutter, oder die bei Mérimée nicht vorkommenden Figuren Micaëla mit ihrer „anständigen“ Weiblichkeit und Escamillo mit seiner grellen Virilität? Wie bestimmend sind schließlich die unterschiedlichen gesellschaftlichen Gruppen, denen José im Grunde genauso fremd bleibt wie Carmen? Bizets Oper ist auch eine Geschichte über die Begegnung mit Differenz – im Anderen und in uns selbst –, über ihre Wahrnehmung als Bereicherung oder Bedrohung und über unseren Umgang mit ihr.

Christian Arseni

Besetzung:
Asmik Grigorian, Carmen
Jonathan Tetelman, Don José
Kristina Mkhitaryan, Micaëla
Davide Luciano, Escamillo
Iveta Simonyan, Frasquita
Anita Monserrat, Mercédès
Matthias Winckhler, Zuniga
Liviu Holender, Moralès
Michael Arivony, Le Dancaïre
Mingjie Lei, Le Remendado
Eurudike De Beul, Amparo Cortés, Boston Gallacher, Balder Hansen, Chey Jurado, Seungwoo Park, Romeu Runa, Charlie Skuy, Eliana Stragapede - Performer·innen von Peeping Tom

Utopia Choir
Vitaly Polonsky, Choreinstudierung
Bachchor Salzburg
Michael Schneider, Choreinstudierung
Salzburger Festspiele und Theater Kinderchor
Wolfgang Götz, Regina Sgier, Choreinstudierung
Utopia Orchestra
Teodor Currentzis, Musikalische Leitung

Gabriela Carrizo (Peeping Tom), Regie / Choreografie
Christof Hetzer, Bühne / Kostüme
Tom Visser, Licht
Raphaëlle Latini, Mitarbeit Regie
Christian Arseni, Dramaturgie

In französischer Sprache mit deutschen und englischen Übertiteln

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Benjamin Bernheim, © Edouard Brane
Oper

Werther

Jules Massenet (1842 - 1912)

Drame lyrique in vier Akten
(entstanden 1885—1887, uraufgeführt 1892)
Libretto von Édouard Blau, Paul Milliet und Georges Hartmann
nach dem Roman Die Leiden des jungen Werther von Johann Wolfgang von Goethe
Konzertante Aufführung

„Mein ganzes Wesen bleibt gleichgültig gegen alles, was nicht Du ist!“

In seiner Autobiografie berichtet Jules Massenet von einer Deutschlandreise, die er im Sommer 1886 mit seinem Freund und Verleger Georges Hartmann unternahm: In Wetzlar, dem Schauplatz von Goethes Briefroman Die Leiden des jungen Werther, überreichte Hartmann ihm ein vergilbtes Exemplar dieses Werks, und Massenet konnte sich „nicht von der Lektüre jener glühenden Briefe losreißen“.

Die romantisierte Schilderung der Entstehung der Oper Werther – tatsächlich hatten Massenet und seine Librettisten schon 1885 mit der Arbeit begonnen – entspricht der Unwirklichkeit des Idylls, das sich dem jungen Titelhelden bei seiner ersten Begegnung mit Charlotte darbietet: Der Amtmann studiert mit seinen Kindern bereits im Juli ein Weihnachtslied ein, und Charlotte, seine älteste Tochter, übernimmt in rührender Selbsthingabe die Rolle der verstorbenen Mutter. Noch am selben Abend gesteht Werther der jungen Frau schwärmerisch seine Gefühle: Sein Leben würde er hingeben, um ihr angehören zu dürfen. Als er aber von ihrer Verlobung mit Albert erfährt, stürmt er davon. Erst nach Charlottes Hochzeit kehrt er nach Wetzlar zurück und hofft, ihr in Freundschaft verbunden bleiben zu können. Doch seine Liebe bricht sich immer wieder Bahn, und auch Charlotte wird sich bei der Lektüre von Werthers leidenschaftlichen Briefen ihrer Gefühle für ihn bewusst. Am Weihnachtstag erbittet Werther von Albert dessen Pistolen. Von einer dunklen Vorahnung getrieben eilt Charlotte zu ihm, doch sie kommt zu spät: Werther stirbt in ihren Armen.

In seiner Vertonung von Goethes Jugendwerk leuchtet Massenet das Beziehungsgeflecht zwischen Werther, Charlotte und Albert psychologisch subtil aus. Besondere Wirkung erzielt er durch die scharfe Kontrastierung von idyllischem Setting und tragischem Handlungsverlauf. Werthers Selbstmord war wesentlich dafür verantwortlich, dass sich in Paris keine Bühne für die Uraufführung fand. Erst 1892 feierte das Stück an der Wiener Hofoper seine glänzende Premiere und zählt bis heute zu den erfolgreichsten Opern des französischen Repertoires.

David Treffinger (Übersetzung: Chris Walton)

Besetzung:
Benjamin Bernheim, Werther
Marianne Crebassa, Charlotte
Sandra Hamaoui, Sophie
Andrey Zhilikhovsky, Albert
Manuel Winckhler, Le Bailli
Tomislav Jukić, Schmidt
sowie Teilnehmer·innen des YSP

Salzburger Festspiele und Theater Kinderchor
Wolfgang Götz, Regina Sgier, Choreinstudierung
Orchestre symphonique de la Monnaie / Symfonieorkest van de Munt
Alain Altinoglu, Musikalische Leitung

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Adam Fischer, © Szilvia-Csibi
Oper

Lucio Silla

Wolfgang Amadeus Mozart (1756 - 1791)

Opera seria in drei Akten KV 135 (1772)
Libretto von Giovanni de Gamerra

„Das eigene Herz zu überwinden, welcher Sieg kommt diesem gleich?“

Mit Mitridate hatte sich der 14-jährige Mozart 1770 dem italienischen Publikum erfolgreich als Opernkomponist vorgestellt, und schon im März des Folgejahres erhielt er einen weiteren Auftrag des Mailänder Teatro Regio Ducale: Lucio Silla sollte die Karnevalssaison 1772/73 eröffnen und den Erfolg des Mitridate auch inhaltlich fortschreiben – schließlich war es der römische Feldherr Lucius Cornelius Sulla (138–78 v. Chr.), der Mithridates VI. militärisch in die Schranken wies. Sulla (in der italienischen Namensform auch „Silla“) hatte sich allerdings vor allem als grausamer Diktator, der seine Gegner durch öffentliche Ächtung dem Ruin auslieferte, im historischen Gedächtnis erhalten. So wird er auch bei Mozart zunächst als brutaler Tyrann gezeichnet. Der geächtete Senator Cecilio kehrt heimlich nach Rom zurück, wo er der Diktatur ein Ende setzen und seine Verlobte Giunia aus den Händen Sillas, der sich ebenfalls in sie verliebt hat, befreien will. Dabei soll ihm der Patrizier Lucio Cinna behilflich sein. Ein Tribun rät Silla, Giunia selbst gegen ihren Willen zur Frau zu nehmen, während Sillas Schwester Celia, die heimlich in Cinna verliebt ist, zur Sanftmut mahnt. Cecilios und Cinnas Mordanschläge auf den Diktator misslingen. Giunia ist auch um der Rettung von Cecilios Leben willen nicht bereit, sich mit Silla zu vermählen. Zum Erstaunen aller vergibt Silla schließlich seinen Feinden und führt die Liebespaare zusammen.

Giovanni de Gamerra war ein Neuling auf dem Gebiet der Operndichtung. Trotzdem ging er stellenweise über die gängigen Schemata der Opera seria hinaus, indem er – etwa am Ende des ersten Akts – größere Szenenkomplexe entwarf. Auch seine Vorliebe für düstere Kerker- und Friedhofsszenen bot Mozart die Gelegenheit, mit neuen Ausdrucksmöglichkeiten zu experimentieren. Vor allem in Giunias virtuosen Arien zeigt der junge Komponist ein ausgeprägtes Gespür für die musikalische Ausgestaltung der Rollenpsychologie. Lucio Silla erwies sich mit 26 Vorstellungen als ein beeindruckender Erfolg, sollte aber dennoch Mozarts letzte Oper für Italien bleiben.

David Treffinger (Übersetzung: Chris Walton)

Besetzung:
Giovanni Sala, Lucio Silla
Sara Blanch, Giunia
Xenia Puskarz Thomas, Cecilio
Martina Russomanno, Lucio Cinna
Lilit Davtyan, Celia

Bachchor Salzburg
Michael Schneider, Choreinstudierung
Rupert Burleigh, Hammerklavier
Mozarteumorchester Salzburg
Adam Fischer, Musikalische Leitung

Birgit Kajtna-Wönig, Szenische Einrichtung

In italienischer Sprache mit deutschen und englischen Übertiteln

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Manfred Honeck, © George Lange
Oper

Ariadne auf Naxos

Richard Strauss

Oper in einem Aufzuge nebst einem Vorspiel op. 60
(entstanden 1911—1912, zweite Fassung uraufgeführt 1916)
Libretto von Hugo von Hofmannsthal
Neuinszenierung

„Du bist der Herr über ein dunkles Schiff, das fährt den dunklen Pfad.“

Der reichste Mann von Wien ist niemand zum Gernhaben. Jedenfalls wenn man dem Bild traut, das sein Personal von ihm vermittelt. Herrisch und rücksichtslos schmeißt er aus der Ferne das musikalische Programm einer „großen Assemblee“ in seinem Stadtpalais um, während backstage schon die Vorbereitungen für die Aufführung in vollem Gange sind. Gekränkte Künstlerehre ist ihm zu egal, um sich überhaupt damit zu befassen. Die Opera seria Ariadne auf Naxos, die ein hoffnungsvoller Nachwuchskomponist extra für den Anlass komponiert hat, zählt für ihn lediglich zu den „Verdauung fördernden Genüssen“ wie Feuerwerk und Tanz. Am besten hält man sie kurz – oder noch besser, mischt sie mit einer Opera buffa, damit es nicht fad wird.

Dieses ätzende Porträt eines kulturlosen Superreichen, der nur durch seine arroganten Lakaien in Erscheinung tritt, erinnert nicht zufällig an die High Snobiety, die Molière in seinen Komödien dem Spott preisgab. Die erste Fassung der Oper Ariadne auf Naxos hatten Richard Strauss und sein Textautor Hugo von Hofmannsthal als Teil ihrer Adaption von Molières Der Bürger als Edelmann entwickelt. Diese am 25. Oktober 1912 im Kleinen Haus des Stuttgarter Hoftheaters uraufgeführte Kreuzung von Sprech- und Musiktheater fiel beim Premierenpublikum ziemlich durch.

Hofmannsthal und Strauss packte der Misserfolg bei eben der Künstlerehre. Also ersetzten sie Molières Komödie durch ein operettenhaftes „Vorspiel“ mit nur noch einer Sprechrolle, behielten den ironischen Ton und den gezierten Inhalt aber bei, als sie die Komplikationen um das musikalische Bankett im Haus des Steinreichen neu dichteten und komponierten und vier Jahre später in der Wiener Hofoper herausbrachten.

Das hysterisch grundierte Vorspiel, in dem überreizte Künstlerfiguren, Volkstheater-Erotik und Wiener Schmäh ein hohes komödiantisches Tempo erzeugen, übertrug Strauss in einen beschwingten, heiteren Parlando-Stil. Die festliche „Opernaufführung“, die den antiken Ariadne-Stoff mit der fiktiven Komödie Die ungetreue Zerbinetta und ihre vier Liebhaber verbindet, folgt dagegen einem eher klassischen Kompositionsansatz, in dem die siegreiche Hochkultur mit vielen Verweisen in die Musikgeschichte gefeiert wird.

Um diese Parodie auf die großbürgerlichen Blender der Wiener Ringstraße in die Gegenwart zu versetzen, begibt sich Regisseur Ersan Mondtag, der mit dieser Inszenierung sein Salzburger Festspieldebüt gibt, in die Milchstraße. Denn die reichsten Kulturlosen unserer Zeit wollen ihre Bankette am liebsten auf dem Mars feiern, wohin ihnen nur die Exklusivsten der Exklusiven folgen können. Und wo die Künstlerinnen und Künstler wiederum weit unter dem letzten Hausbediensteten rangieren, als freischaffende Klang-Konditoren für den musikalischen Nachtisch.

Auf diesem Wüstenplanet ist die „wüste Insel“ Naxos, auf der im zweiten Teil des Werks die Begegnung von Ariadne und Bacchus stattfindet, dann eine stille Metapher moderner Rücksichtslosigkeit. Männer, die sich alles leisten können, verwüsten erst mit ihren gierigen Geschäften die angestammte Heimat, so wie die Griechen ihre grünen Inseln für den Bau von Kriegsschiffen abgeholzt haben, um Troja zu plündern. Danach entfernen die „Sieger“ sich mit ihrem Raubgut in Gegenden, die nur sie erreichen und bewohnen können, wie Bacchus, der Ariadne auf seine Passage in den Olymp mitnimmt.

Von Wüste zu Wüste ist es für die egomanischen Helden der Geldvermehrung also nur ein Katzensprung. Und ihr modernes Leitbild für die Flucht in den Weltraum ist tatsächlich fest verbunden mit dem Ariadne-Mythos. Der eigentliche Retter der kretischen Königstochter, der Erfinder des Ariadne-Fadens, war Dädalus, der erste fliegende Mensch und Schutzheilige der Raumfahrt. Ariadne selbst wird nach dem Tod von ihrem göttlichen Gatten Bacchus als Sternbild am Firmament verewigt. Dort werden bald auch die luftdichten Paläste der kapitalistischen Götter stehen. In ihren kostspieligen Sandburgen kann sich dann die Farce wiederholen, die Strauss und Hofmannsthal über die Wiener Bourgeoisie geschaffen haben. Das Feuerwerk am Ende mag allerdings ein anderes sein.

Till Briegleb

Besetzung:
Kate Lindsey, Der Komponist
Elīna Garanča, Primadonna / Ariadne
Eric Cutler, Der Tenor / Bacchus
Ziyi Dai, Zerbinetta
Johannes Silberschneider, Der Haushofmeister
Christoph Pohl, Ein Musiklehrer
Jonas Hacker, Der Tanzmeister
Leon Košavić, Harlekin
Michael Porter, Scaramuccio
Lukas Enoch Lemcke, Truffaldin
Theodore Browne, Brighella
Jasmin Delfs, Najade
Anja Mittermüller*, Dryade
Marlene Metzger, Echo
und andere
(* Teilnehmerin des YSP)

Wiener Philharmoniker
Manfred Honeck, Musikalische Leitung

Ersan Mondtag, Regie / Bühne / Kostüme
Henning Streck, Licht
Luis August Krawen, Video
Till Briegleb, Dramaturgie

In deutscher Sprache mit deutschen und englischen Übertiteln

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Maxime Pascal, © Jean-Baptiste Millot
Oper

Saint François d’Assise

Olivier Messiaen (1908 - 1992)

Scènes franciscaines
Oper in drei Akten und acht Bildern
(entstanden 1975—1983, uraufgeführt 1983)
Libretto von Olivier Messiaen
Neuinszenierung

„Du sprichst durch Musik zu Gott: Er wird dir durch Musik antworten.“

Durch die Weite ihrer Weltsicht und die Intensität der sinnlichen Erfahrung, die sie entfaltet, sowie durch die künstlerische Kühnheit ihres Schöpfers nimmt Olivier Messiaens Oper Saint François d’Assise in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts eine ähnliche Stellung ein wie Richard Wagners Tristan und Isolde ein Jahrhundert davor: als ein Haupt- und Schlüsselwerk der Musikgeschichte. Zudem verbindet die beiden Werke das Thema der Liebe – einer unermesslichen Liebe, die sich im Tod vollendet. Bei Wagner ist es die Liebe zwischen einem Mann und einer Frau, bei Messiaen die Liebe eines Menschen zu Jesus Christus.

Schon als Kind fühlte sich der tiefgläubige Messiaen der katholischen Kirche verbunden. In der Pariser Kirche La Trinité begleitete er jahrzehntelang die Gottesdienste auf der Orgel, während seine Kompositionen von den renommiertesten Orchestern Europas und der USA aufgeführt wurden. Die Doppelidentität als experimentierfreudiger Komponist und von seinem Glauben durchdrungener Christ war für ihn zeitlebens charakteristisch. Dies zeigt sich mit Deutlichkeit bereits an seinem herausragenden, über zweistündigen Klavierzyklus Vingt Regards sur l’Enfant-Jésus (Zwanzig Blicke auf das Jesuskind), der 1944 entstand – fast 40 Jahre vor der Uraufführung von Saint François d’Assise.

Doch zeichnet sich Messiaen noch durch eine dritte Dimension aus: seine Leidenschaft für Ornithologie. 1952 begann er, in Dutzenden von Notizheften Vogelgesänge in Musiknoten festzuhalten. Er bereiste alle Kontinente auf der Suche nach immer neuen Vogelstimmen. Sie wurden zur Inspirationsquelle für Klavier- und Orchesterwerke und schließlich – in vollendeter Ausprägung – für seine einzige Oper, die jenem Heiligen gewidmet ist, der mit den Vögeln sprach.

Eine Ausnahmeerscheinung ist Messiaens Bühnenwerk nicht zuletzt auch, weil es im Hinblick auf die sängerische und orchestrale Besetzung enormen Aufwand erfordert und deshalb nur selten aufgeführt wird. 2026 jährt sich der Tod des heiligen Franz von Assisi zum 800. Mal, doch ist es keineswegs nur das Andenken, das zur Beschäftigung mit dieser monumentalen Oper einlädt: Saint François d’Assise hat uns auch heute noch Wesentliches zu sagen und vermittelt existenzielle Erfahrungen. Franziskus zu begegnen heißt, in eine spirituelle Sphäre einzutreten, die höchste Ansprüche stellt. Denn in ihm – das hatte Messiaen erkannt – offenbart sich eine erstaunliche Radikalität: der endgültige Bruch mit seiner Vergangenheit und seiner Familie, das Streben nach äußerster Armut, die Feier sowohl des Schönen als auch des Hässlichen, des Lebens wie des Todes – und ein obsessives Verhältnis zum Leiden Christi bis hin zu dem Wunsch, es selbst nachzuleben. Diese Radikalität ist weit entfernt von dem Franziskusbild, das die Kirche den Touristen vermittelt, weit entfernt von jener süßlichen Darstellung, die die spirituelle Kraft und die revolutionäre Energie dieses Heiligen und seiner Botschaft abschwächt.

Messiaens Annäherung an Franziskus war ein jahrzehntelanger Prozess, und so wurde sein Opus magnum zum Konzentrat eines ganzen Komponistenlebens. Mit der Rückkehr von Saint François d’Assise nach Salzburg öffnet sich der „Weg der Gnade“ des „Poverello“ aus Assisi erneut. Es liegt nun an uns, ihm zu folgen und Messiaen auf den Spuren jenes Mannes zu begleiten, den er unablässig befragte, um ihn besser begreifen und inniger lieben zukönnen.

Die Salzburger Neuinszenierung führt den Regisseur Romeo Castellucci und den Dirigenten Maxime Pascal in die Felsenreitschule zurück. Der Bariton Philippe Sly gibt sein Debüt in einer Rolle, die im Opernrepertoire einzigartig ist – eine zutiefst menschliche Erfahrung, eine metaphysische Suche ganz nah an der Erde, am Stein und an der Unermesslichkeit, die wir in uns tragen.

Christian Longchamp (Übersetzung: Andreas Bredenfeld)

Besetzung:
Lauranne Oliva, L’Ange
Philippe Sly, Saint François
Sean Panikkar, Le Lépreux
Russell Braun, Frère Léon
Léo Vermot-Desroches, Frère Massée
Aaron-Casey Gould, Frère Élie
Willard White, Frère Bernard
und andere

Konzertvereinigung Wiener Staatsopernchor
Jozef Chabroň, Choreinstudierung
Wiener Philharmoniker
Maxime Pascal, Musikalische Leitung

Romeo Castellucci, Regie / Bühne / Kostüme / Licht
Giulia Giammona, Künstlerische Mitarbeit
Christian Longchamp, Dramaturgie
Yasmine Hugonnet, Choreografie
Alessio Valmori, Lisa Behensky, Mitarbeit Bühne
Theresa Wilson, Zusammenarbeit Kostüm
Benedikt Zehm, Mitarbeit Licht
Paul Jeukendrup, Klangregie

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Cecilia Bartoli, © Kristian Schuller / Decca
Oper

Il viaggio a Reims

Gioachino Rossini (1792 - 1868)

ossia L’ALBERGO DEL GIGLIO D’ORO
Dramma giocoso in einem Akt (1825)
Libretto von Luigi Balochi, teilweise basierend auf dem Roman Corinne, ou L’Italie von Madame de Staël

„Wir reden davon aufzubrechen, und wir sind immer noch hier.“

In einer Hotellobby Gäste zu beobachten, kann ein kurzweiliger Zeitvertreib sein, besonders wenn man auf solche wie in Rossinis Il viaggio a Reims stößt: Eigentlich wollen diese Leute alle nach Reims, um der Krönung von Karl X. zum König von Frankreich beizuwohnen, doch da sich weit und breit keine Pferde auftreiben lassen, stecken sie in einem Kurhotel in der Provinz fest. Und so erleben wir eine abwechslungsreiche, internationale Parade von Figuren in einem Geflecht aus Sympathien und Antipathien, Liebeleien und Eifersucht, Enthusiasmus und Eitelkeit, Idealen und Spleens …

Rossini komponierte Il viaggio a Reims für die Feierlichkeiten eben jener Krönung, die als historisches Ereignis in das Stück selbst eingegangen ist. Nach der Premiere am Pariser Théâtre-Italien am 19. Juni 1825 und drei weiteren Aufführungen ließ er die Partitur in der Schublade verschwinden und übernahm drei Jahre später etwa die Hälfte der Musik in seine französische Oper Le Comte Ory. Erst 1977 wurde das verschollen geglaubte Manuskript der nicht für Ory verwerteten Teile in Rom wiederentdeckt. Mithilfe weiterer Quellen konnte Il viaggio a Reims rekonstruiert werden, und 1984 gelangte dieses extravagante Gelegenheitswerk in Pesaro erstmals wieder auf die Bühne. Außergewöhnlich ist bereits die Besetzung: Das Budget für die Uraufführung entsprach dem royalen Anlass und erlaubte es Rossini und seinem Librettisten Luigi Balochi, nicht weniger als 18 Rollen zu erfinden, darunter zehn anspruchsvolle Hauptrollen, für die gefeierte Stars wie Giuditta Pasta aufgeboten wurden.

Mit Il viaggio a Reims schrieb Rossini seine erste Oper für Paris, wo das Publikum schon seit Jahren verrückt nach seiner Musik war. Zugleich ist das Werk seine letzte italienische Oper – und als Opera buffa ein Rückblick auf eine Gattung, die er mit La Cenerentola (1817) eigentlich hinter sich gelassen hatte. Rossini und Balochi verfolgten den Rummel rund um die französische Königskrönung aus der distanzierten Perspektive von Außenstehenden, und man merkt, wie unbefangen und mit welchem Spaß sie an ihren prestigevollen Auftrag herangingen. Da die Gäste ihres Hotels aus allen Richtungen Europas kommen, konnten Librettist und Komponist ausgiebig mit nationalen Klischees spielen. Mit der gleichen Lust spielten sie mit Konventionen der italienischen Oper und parodierten sie textlich ebenso wie musikalisch – Il viaggio a Reims ist insofern auch eine Meta-Oper.

Manchmal entsteht der komische Effekt schon allein aus dem Kontrast zwischen Ursache und Ausdruck: Als die modebesessene Contessa di Folleville erfährt, dass die Kutsche mit ihrer Festgarderobe auf der Fahrt umgestürzt ist, kleidet sie ihren Kummer in Worte und Töne, die für weit Tragischeres geeignet wären; die Ankunft eines überlebenden Hutes lässt sie dann in entsprechend überschwänglichen Jubel ausbrechen. Hier und in vielen anderen Momenten, in denen die Figuren emotional fortgetragen werden oder die Lage nicht mehr unter Kontrolle haben, begegnen wir der für den Komponisten so typischen, mitreißenden „Mechanisierung“ der Musik, die sich quasi verselbstständigt. Und doch scheint noch im Rausch von Klang und Rhythmus die Menschlichkeit von Rossinis Figuren immer durch.

Eine Gruppe zufällig zusammengewürfelter Personen, die eine Zeit lang auf begrenztem Raum festgehalten werden – das ist eine Situation, aus der Theater- und Filmautor·innen immer wieder komische und absurde Funken geschlagen haben. Dass Il viaggio a Reims nur ein Minimum an äußerer Handlung aufweist, empfindet der Regisseur Barrie Kosky daher keineswegs als Manko, im Gegenteil: Es ist für ihn eine unwiderstehliche Einladung, eigene Geschichten hinzuzuerfinden. Im Gepäck für die Inszenierung mit dabei hat Kosky eine Menge an Feydeau’schem Witz, Drive und erotischem Slapstick. Im Verein mit Rossinis elektrisierender Musik, die vor allem in den Ensemblenummern einen geradezu physischen Sog entwickelt – Il viaggio a Reims wartet unter anderem mit dem Unikum eines „Gran pezzo concertato“ für 14 (!) Stimmen auf –, verheißen diese Ingredienzen ein Delirium aus Verrücktheit und Komik. Dass die Oper eigentlich zur Feier eines ultrakonservativen Monarchen entstand, darf man im Strudel des Lachens dann getrost vergessen.

Christian Arseni

Besetzung:
Cecilia Bartoli, Corinna
Marina Viotti, Marchesa Melibea
Mélissa Petit, Contessa di Folleville
Tara Erraught, Madama Cortese
Edgardo Rocha, Cavalier Belfiore
Dmitry Korchak, Conte di Libenskof
Ildebrando D’Arcangelo, Lord Sidney
Florian Sempey, Don Profondo
Misha Kiria, Barone di Trombonok
Peter Kellner, Don Alvaro
Giovanni Romeo, Don Prudenzio
Helena Rasker, Maddalena
Rodolphe Briand, Zefirino
Rafał Pawnuk, Antonio
und andere

Chœur de l’Opéra de Monte-Carlo
Stefano Visconti, Choreinstudierung
Les Musiciens du Prince - Monaco
Gianluca Capuano, Musikalische Leitung

Barrie Kosky, Regie
Rufus Didwiszus, Bühne
Victoria Behr, Kostüme
Franck Evin, Licht
Christian Arseni, Dramaturgie

Im Anschluss an die Galavorstellung vom 8. August findet ein Galadinner zu Ehren von Cecilia Bartoli in der Residenz zu Salzburg statt.

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Joana Mallwitz, © Simon Pauly
Oper

Così fan tutte

Wolfgang Amadeus Mozart (1756 - 1791)

ossia LA SCUOLA DEGLI AMANTI
Dramma giocoso in zwei Akten KV 588 (1790)
Libretto von Lorenzo Da Ponte

„Wie sich mein Schicksal plötzlich geändert hat! Das Leben ist für mich nun ein Meer voller Qualen!“

Geschrieben 1789, kurz nach dem Sturm auf die Bastille und in den letzten Monaten der Herrschaft von Joseph II., beschreibt Così fan tutte die höchste Blüte des alten Regimes an dem Punkt seiner Auflösung.

Alles beginnt in einem Kaffeehaus in Neapel – ein Ort voller Ambivalenzen, an dem die landschaftliche Schönheit in scharfem Kontrast zur allgegenwärtigen Bedrohung durch den Vesuv steht. In diesem atmosphärischen Spannungsfeld entfaltet sich das Geschehen, das alle Figuren gleichermaßen erschüttern wird. Don Alfonso, desillusioniert von der Liebe, erklärt seine Weltanschauung: „Die Treue der Frauen ist wie der arabische Phönix: Man sagt, sie existiere, doch niemand hat sie je gesehen.“ Mit dieser These provoziert er die beiden Verliebten Ferrando und Guglielmo und bringt sie dazu, eine Wette einzugehen: In einem von Don Alfonso inszenierten Experiment soll die Treue ihrer Verlobten Dorabella und Fiordiligi auf die Probe gestellt werden. Es geht ihm dabei jedoch nicht allein um die Frage der Treue, sondern darum, die Relativität der Liebe offenzulegen – und zu beweisen, dass jenes Gefühl, das die Menschen für unverrückbar halten, in Wahrheit den Gesetzen von Spiel, Täuschung und Zufall unterliegt.

Was als gesellschaftliches Spiel beginnt, entwickelt sich zu einer gnadenlosen Versuchsanordnung. Hier werden Herzen auseinandergenommen, seziert und wieder neu zusammengesetzt – die Paare betreten die schwindelerregende Zone der Liebe. Jeder und jede von ihnen erlebt sich selbst als fremd: Fiordiligi, die anfangs unerschütterlich erscheint, wird von einer Leidenschaft überwältigt, die sie zugleich beglückt und erschreckt. Dorabella lässt sich scheinbar mühelos auf das Neue ein, doch ihre Leichtigkeit verrät ein Wissen um die Fragilität des Herzens. Die Männer, die glaubten, die Regeln zu bestimmen, finden sich am Ende selbst geprüft, ihre eigenen Schwüre entwertet. Selbst Don Alfonso kann seine Position als unbeteiligter Beobachter nicht länger aufrechterhalten. Im Lauf der Handlung werden sich alle gewohnten Koordinaten auflösen, wird jede Gewissheit suspendiert werden.

Despina, Don Alfonsos Verbündete, weist den beiden Frauen einen Weg aus der Krise. Sie hat sich in der Welt der Unbeständigkeit und Treulosigkeit eingerichtet. Für sie ist die Liebe Vergnügen und Zeitvertreib: „Einer ist so viel wert wie der andere, denn keiner ist etwas wert.“ Doch ihre Weisheit ist nicht die des Stücks! Così fan tutte bewegt sich in ganz anderen Dimensionen: Es untersucht die Frage, wie die Menschlichkeit gerettet werden kann – trotz der Ereignisse, die Despina recht geben könnten.

Die rätselhafte Wahrheit des Librettos offenbart sich ganz erst durch Mozarts Musik: Er komponiert keine distanzierende Ironie und überantwortet die menschlichen Beziehungen nicht der Verhöhnung durch ihre Darstellung als marionettenhafter Mechanismus. Er berührt vielmehr das schlagende Herz des Geschehens – und damit das tiefe Geheimnis der Liebe.

Die Musik entwickelt eine einigende Kraft, ohne das Geschehene zu leugnen; die widerstreitenden Elemente werden ohne Gewalt wieder zusammengeführt: Alle Personen wissen um das Leid und die Tränen. Doch sie haben durch ihre schmerzliche Erfahrung die Heiterkeit und eine Art von Harmonie der Herzen erreicht. Lachen und Weinen erscheinen gleichgeordnet. In der musikalischen Verkörperung der errungenen „bella calma“ ist keine Spur von Ironie.

Alle Beteiligten vermögen es, mit einem tieferen Wissen über die Welt zu sich selbst zurückzukehren – vielleicht begleitet von der leisen Frage, mit der Heinrich von Kleists Essay „Über das Marionettentheater“ von 1810 ausklingt: „Müßten wir wieder von dem Baum der Erkenntnis essen, um in den Stand der Unschuld zurückzufallen?“

Yvonne Gebauer

Besetzung:
Elsa Dreisig, Fiordiligi
Victoria Karkacheva, Dorabella
Andrè Schuen, Guglielmo
Bogdan Volkov, Ferrando
Lea Desandre, Despina
Johannes Martin Kränzle, Don Alfonso

Konzertvereinigung Wiener Staatsopernchor
Jozef Chabroň, Choreinstudierung
Wiener Philharmoniker
Joana Mallwitz, Musikalische Leitung

Christof Loy, Regie
Johannes Leiacker, Bühne
Barbara Drosihn, Kostüme
Olaf Winter, Licht

Mit Unterstützung der Freunde der Salzburger Festspiele e.V. Bad Reichenhall

In italienischer Sprache mit deutschen und englischen Übertiteln

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Maximilian Schmitt, © Christian Kargl
Oper

Der Prinz von Homburg

Hans Werner Henze (1926 - 2012)

Oper in drei Akten und neun Bildern
(entstanden 1958—1959, uraufgeführt 1960)
Libretto eingerichtet von Ingeborg Bachmann
nach dem Schauspiel Prinz Friedrich von Homburg von Heinrich von Kleist

„Und fester Glaube baut sich in uns auf, daß die Empfindung einzig retten kann!“

Die Schlacht von Fehrbellin steht kurz bevor. Der Kurfürst von Brandenburg ist mit seinem Gefolge und seiner Nichte Prinzessin Natalie auf der Suche nach dem General Prinz Friedrich von Homburg. Sie finden ihn schlafwandelnd im Schlossgarten, wo er im Traum seine militärischen Erfolge und seine Heirat mit Natalie imaginiert. In der folgenden Schlacht verstößt er gegen die kurfürstlichen Befehle und gehorcht ausschließlich seiner Intuition. Obwohl das brandenburgische Heer siegreich aus dem Gefecht hervorgeht, wird der Prinz wegen seines Ungehorsams zum Tode verurteilt. Als er ängstlich um sein Leben fleht, stellt ihn der Kurfürst auf die Probe: Sollte er den Spruch des Kriegsgerichts als ungerecht erachten, so sei er frei. Der Prinz sieht sich vor die Entscheidung zwischen Gefühl und Gesetz gestellt und nimmt schließlich gefasst das Todesurteil an. Beeindruckt von Homburgs innerer Größe kann der Kurfürst nun selbst seinem Gefühl folgen und den Prinzen begnadigen.

Hans Werner Henze und Ingeborg Bachmann zögerten lange, bevor sie 1958 mit der Arbeit an Der Prinz von Homburg begannen – zu sehr war die Kleist’sche Vorlage von den Nationalsozialisten als kriegsverherrlichendes, patriotisches Preußendrama funktionalisiert worden. Doch eben diesem Missbrauch galt es entgegenzuwirken. In ihrer Texteinrichtung reduzierte Bachmann den militärischen Sprachduktus und betonte einerseits die Liebeshandlung zwischen dem Prinzen und Natalie sowie andererseits den Konflikt zwischen Staatsräson und Empfindung. Dieser Gegensatz durchdringt auch Henzes Komposition: Durch die Gegenüberstellung unterschiedlicher Klangfarben und Form- oder Stilelemente wird die Dualität von „Traumwelt“ und „realer Welt“ direkt fassbar. Zwischen den beiden Polen beziehen Henze und Bachmann eindeutig Position: Es geht in der Oper, so Henze, „um die Verherrlichung eines Träumers, um die Zerstörung des Begriffs vom klassischen Helden, es geht gegen die blinde, phantasielose Anwendung der Gesetze und um die Verherrlichung menschlicher Güte.“

David Treffinger

Besetzung:
Maximilian Schmitt, Friedrich Wilhelm, Kurfürst von Brandenburg
Tanja Ariane Baumgartner, Die Kurfürstin
Kathrin Zukowski, Prinzessin Natalie von Oranien
Lauri Vasar, Feldmarschall Dörfling
Georg Nigl, Prinz Friedrich Artur von Homburg
Anthony Robin Schneider, Obrist Kottwitz
Magnus Dietrich, Graf Hohenzollern
und andere

Ingo Metzmacher, Musikalische Leitung
ORF Radio-Symphonieorchester Wien

In deutscher Sprache mit deutschen und englischen Übertiteln

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Bewertungen & Berichte Der Prinz von Homburg

3

Salzburger Festspiele

Salzburger Festspiele Sommer 2026

17. Juli bis 30. August 2026




OPER

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